Christian Turnwald im Interview mit Aline, die bei uns die Öffentlichkeitsarbeit macht, über Impro macht Schule als fester Bestandteil des Schulalltags an der Mittelschule Holzkirchen.
„Impro macht Schule finde ich bedeutsam genug, dass es auch einen Platz im Regelunterricht haben darf.“
Christian Turnwald
Impro macht Schule: Wie kam es dazu, dass Impro macht Schule an der Mittelschule Holzkirchen Bestandteil des Schulalltags wurde?
Christian Turnwald: Das ging nur deswegen, weil ich den Dr. Jürgen Peters kenne. Über den persönlichen Kontakt sind wir auf das Thema „Impro macht Schule“ zu sprechen gekommen. Das war damals alles noch so in den Anfängen und ich war damals noch Konrektor an der Schule Feldkirchen-Westerham. Dort haben wir das dann installiert und Jürgen Peters hat uns Sophie Hechler als Trainerin vermittelt. Und Sophie haben wir dann von Feldkirchen nach Holzkirchen mit umgezogen. Seitdem läuft das einfach!
Wie wird Impro macht Schule in den Unterricht integriert und wie wird das von den Schüler*innen wahrgenommen?
Wir haben das mitten im Unterricht. Inzwischen kennt Sophie alle, sie kennt unsere gesamte Schulfamilie. Ich schau immer, was kann ich denn für Gelder generieren kann, um das Gesamtpaket dann für alle Klassen zu verwenden. Ich möchte, für jede Klasse mindestens zwei Doppelstunden Improtheater im Schuljahr unterbringen. Wir machen dann einen Jahresplan und Sophie ist dann am vormittag in diesen Klassen. Impro macht Schule finde ich bedeutsam genug, dass es auch einen Platz im Regelunterrricht haben darf. Das ist eine ganz tolle Sache und ich steh da auch voll dahinter!
Die Langzeitwirkung ist es dann einfach auch. Weil Sophie jedes Jahr kommt und jedes Jahr in allen Klassen ist. So allmählich kennt man dann schon die verschiedenen Spielformen, die da gemacht werden. Es kristallisieren sich schon immer ein paar besondere Talente heraus. Eine Schülerin hat sogar mal von sich aus angeboten, das mit uns in einer Lehrerfortbildung als Warm-up zu machen.
Gibt es an der Mittelschule Holzkirchen mit Impro einen Schwerpunkt, wie beispielsweise Bewerbungstraining oder Kreativität?
Das ist von Klasse zu Klasse verschieden. Bei den größeren Schüler*innen geht’s schon darum, sich zu präsentieren und gut sprechen zu können. Bei den Kleinen ist es spielerischer und ein Sozialfindungsprozess. Die schüchternen Kinder werden aus der Reserve gelockt und die dominanten fahren ein bisschen zurück.
Wie haben sich Schüler*innen individuell verändert?
Für viele Kinder und Jugendliche ist es ein Wagnis, spontan zu sprechen und Sachverhalte, mit denen sie nicht vertraut sind, zu verbalisieren. Im Alltag wird dies häufig vermieden, teils aus Bequemlichkeit, teils aus Furcht vor negativer Rückmeldung und teils auch wegen sprachlicher Hürden (mangelnde Deutschkenntnisse oder degeneriertes Sprechverhalten). – In allen Fällen erleben wir zunächst im geschützten Feld des Spiels und nachfolgend im sozialen Umfeld der Schule eine positive Entwicklung – manchmal mehr, manchmal weniger, aber niemals nie. Schüler*innen nehmen wahr, dass sie in der Lage sind zu kommunizieren und positiven Humor zu zeigen, der gehört und angenommen wird.
Wie hat sich die Arbeit in der Gruppe verändert?
Schüler*innen erleben und erfahren sich als selbstwirksames Mitglied eines Netzwerks. Das eigene Sprechen und Handeln hat eine reale Auswirkung auf das Nachfolgende und ist zudem willkommen. Gewachsenes Selbstvertrauen und Interesse an der eigenen Interaktion ist die Folge. Für die Arbeit in der Gruppe bedeutet dies insgesamt, dass weniger die einzelnen, von Natur aus dominanten Charaktere das Geschehen bestimmen, sondern dass ein mehrheitlich demokratischer Prozess in Kraft tritt, in dem sich viele/alle beteiligen.
Welche Veränderungen in Merkmalen und Fähigkeiten der Schüler*innen konnten Sie beobachten?
Konkret auf die schulischen Anforderungen bezogen erleben wir Fortschritte in allen Bereichen, die mit Sprechen, Präsentieren und Auftreten vor der Klasse/Schule zu tun haben. Zum einen nimmt die Hemmschwelle vor derlei Anforderungen signifikant ab, zum anderen wirkt sich ein gewachsenes Vertrauen in die eigene Wortfindung spürbar aus, wenn der gedankliche Faden gelegentlich abreißt. Insgesamt ist das Auftreten, auch im zwischenmenschlichen Bereich, vermehrt durch Selbst- und weniger durch Fremdbestimmung gekennzeichnet.
Wie erlebten Sie die Zusammenarbeit mit Impro macht Schule?
Über die Jahre durften wir mit verschiedenen Impro-Coaches, die sich auch unkompliziert untereinander aushelfen, zusammenarbeiten. Vorrangig sind wir Sophie Hechler verbunden, die sich freundlicherweise bereiterklärt, unsere „erweiterte Münchner-Rand-Lage“ anzufahren. Wir wissen das sehr zu schätzen und sind auch weiterhin an einer regelmäßigen und institutionalisierten Kooperation interessiert.
Bei Ihnen wird Impro macht Schule auch den Schnuppertagen für die Viertklässler als Teil des Angebots präsentiert. Warum?
Die Viertklässer die sollen auch gleich sehen, was bei uns and der Schule läuft. Wir präsentieren da verschiedene Teile unseres Schullebens. Impro gehört da mit dazu und dass Sophie an zwei bis drei Tagen nochmal extra für die Viertklässler kommt, habe ich beim Kämmerer als Extra-Paket nochmal beantragt. Ob die Kinder deshalb zu uns an die Schule kommen, können wir nach zwei Jahren noch nicht auswerten aber ein Nachteil ist es sicher nicht.
Was würden Sie sich wünschen, damit die Arbeit von Impro macht Schule noch wirkungsvoller wäre?
Die Arbeit ist überaus wirkungsvoll – sofern sie finanziert werden kann. Insgesamt bieten zwar die verschiedenen, projektgebundenen Gelder, die von schulischer Seite abgerufen werden können, diverse Ansatzpunkte, aber etwas mühsam ist stets die benötigte kreative Findigkeit, mit der die Finanzierungspakete geschnürt werden müssen. Es wäre schön, wenn die Politik irgendwann eine „projektscharfe“ Möglichkeit, explizit für Impro macht Schule schaffen würde, weil der offensichtliche und nachhaltige Nutzen erkannt und für geeignet befunden wird.